Das alte Sportamt in Bremen ist nun schon seit über einem Monat besetzt, deswegen wollen wir an dieser Stelle schauen, was bisher passiert ist und was wir daraus für zukünftige Hausbesetzungen lernen können.
Ein ereignisreicher Monat liegt nun hinter uns. Ereignisreich, nicht nur durch die vielen Veranstaltungen, wie Konzerte, Voküs, Info-VAs und Cafés. Ereignisreich auch durch die vielen Gespräche, Verhandlungen, Diskussionen, Spekulationen und Reaktionen, Plena und Gruppentreffen mit so vielen Menschen.
Dass die Besetzung dieses Gebäudes, das wir nun schon seit über vier Jahren bespielen, so positiv verlaufen würde, hat uns wohl alle gefreut, aber auch ein bisschen überrascht.
Besetzungen in Bremen wieder gängige Praxis?
Da werden jahrelang in Bremen keine Häuser besetzt und dann gleich ein paar mal in kurzer Zeit. Wer hätte das gedacht. 2012 wurde am 12.10. mit lautem Knall die Unruhspedition in der Neustadt besetzt und für einige Stunden gehalten. 2014 gab es dann gleich zwei Versuche sich Häuser anzueignen ( 29.08.2014 Am Wall und 28.10.2014 Duisburgerstr.). Beide waren weitaus unkonfrontativer als die Aktion zwei Jahre zuvor, aber deswegen nicht weniger radikal. Die beiden letzten Besetzungen haben gezeigt, dass es in Bremen möglich ist Häuser zu besetzen und dass es, gerade in Zeiten von steigenden Mieten, viele Sympathisant_innen gibt, die diese Aktionsform befürworten. Außerdem wurde durch die Aktionen in der Duisburgerstraße und Am Wall klar, dass man Straffrei aus der ganzen Sache rausgehen kann, die Besitzer_innen zu Verhandlungen drängen kann und es trotzdem möglich ist radikale Inhalte in Presse und Gesellschaft zu tragen. Was leider nicht geschafft wurde war, ein Haus zu behalten.
Erfolgreicher waren da die Besetzer_innen des Freizeitzentrums Buntentor, die vom 26.3. bis 16.8.2014 für mehrere Monate ihr, von der Schließung bedrohtes, Jugendhaus besetzt hielten und selbstverwalteten.
Nun ist auch das alte Sportamt seit dem 2. April 2015 besetzt. Es gibt fast nur positive Reaktionen und Presseberichte auf die Besetzung, es beteiligen sich überwältigend viele Menschen und es gibt ernstgemeinte Verhandlungen für eine dauerhafte Nutzung des Gebäudes.
Warum die Besetzung des Sportamts eine bessere Ausgangssituation hatte als andere
Wir würden nun gerne den Schluss daraus ziehen, dass Besetzungen eine zwar anstrengende, aber gut funktionierende und auch spaßige Möglichkeit sind, sich Räume anzueignen, müssen jedoch auch betonen, dass wir in vielerlei Hinsicht in einer besonderen Situation sind:
Zunächst war es für den Erfolg der Aktion maßgeblich, dass wir ein bereits bestehendes Kulturprojekt sind. Das alte Sportamt ist in der Stadt bekannt und wird dort als kulturelles Zentrum wahrgenommen. Seit mehr als vier Jahren nutzen viele Menschen mehr oder weniger regelmäßig das Sportamt als Umsonstladen, Atelier und für Veranstaltungen aller Art. Dementsprechend leicht war es zahlreiche Leute für die Vorbereitung der Besetzung zu mobilisieren. Trotzdem hat es uns überrascht wie Viele sich kontinuierlich beteiligt und ein fettes Programm auf die Beine gestellt haben. Alleine ein Info-Plenum an einem Donnerstag-Nachmittag zu dem mehr als 60 Menschen kamen, hat uns sehr gefreut.
Dass die Presseberichte so zahlreich und positiv waren lag zum einen an der guten Pressearbeit (Pressemitteilungen, teilweise direkter, persönlicher Kontakt im Vorhinein, eigene Presse-AG mit Kontakthandy…)aber eben auch an dem kulturellen Angebot und dem offenen Konzept des alten Sportamts. Ein funktionierendes Kulturzentrum wird eben nicht so schnell „platt gemacht“. Das sieht bei frisch besetztem Leerstand natürlich schon ganz anders aus. Aber selbst bei den beiden Besetzungen im Jahr 2014 hat sich gezeigt, dass die Polizei in Bremen nicht sofort das Gebäude stürmt. Wichtig zu sein scheint vor allem Gesprächsbereitschaft zu zeigen und mit den Eigentümer_innen zu sprechen, was nicht heißt, dass Zugeständnisse gemacht werden müssen.
In unserem Fall wurde zudem wenig über die Illegalität der Aktion diskutiert, stattdessen lag der Fokus mehr auf der Notwendigkeit zu Handeln, die für viele durchaus nachvollziehbar war. Daraus schlussfolgern wir, dass unter bestimmten Bedingungen für viele Menschen ein grundsätzliches Verständnis für die illegale Aneignung von Raum vorhanden zu sein scheint. Durch die nicht funktionierende Kommunikation mit der IB (Immobilien Bremen), sahen viele die Besetzung als logischen Schritt um endlich Gehör zu bekommen und auch die Nachricht, dass das Projekt einem Sportgerätelager weichen soll hat uns einiges an Sympathie eingebracht.
Dazu kommt dann noch, dass in Bremen gerade die Wahlen vor der Tür stehen. Deswegen hatten wir große Bedenken, für den Wahlkampf einzelner Parteien ausgeschlacht zu werden, haben aber natürlich auch davon profitiert.
Der Zeitpunkt war außerdem deswegen gut gewählt, weil wir über die Feiertage ausreichend Zeit hatten unsere Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen und die Eigentümer_innen nur noch reagieren konnten.
Abschließend seien dann noch kleinere Besonderheiten des Geländes, wie die ungünstigen Bebauungspläne oder der Hochwasserschutz genannt, die dazu führen, dass das Grundstück trotz der Top-Lage für Investor_innen etc. nicht nutzbar ist.
Und wie gehts jetzt weiter?
Wir sehen also, beim Sportamt ist einiges an glücklichen Umständen zusammen gekommen. Auch wenn wir das Haus noch nicht haben, sind wir sehr glücklich wie die Besetzung bisher verlaufen ist.
Nur wenige von diesen begünstigenden Faktoren konnten wir irgendwie beeinflussen. Wir glauben aber, dass es durchaus möglich ist erfolgreich Häuser zu besetzen, wenn einige Dinge bedacht werden. Wichtig ist natürlich eine gute Pressearbeit, die die Besitzer_innen möglichst schnell unter Druck setzt, damit diese es sich nicht mehr erlauben können das Gebäude räumen zu lassen. Aber gute Presse alleine wird nicht ausreichen, es muss auch deutlich werden, dass die Aktion ernst gemeint ist. Maßnahmen wie der Schlössertausch oder bei anderen Gebäuden vielleicht eine Verbarrikadierung verstärken sicherlich das Druckpotential.
Generell halten wir es für wichtig, dass bei all dem Verhandeln und der Betonung der guten Pressearbeit der (radikal-)politische Ansatz nicht zu kurz kommt. Das fällt aus einem Zwischenzeitvertrag heraus natürlich schwerer als bei der Besetzung eines leer stehenden Hauses. Uns ist dies auch nur im Ansatz gelungen.
Es wäre schön, wenn es in Bremen gängige Praxis wird, dass Projekte die keine Räume finden sich die Räume einfach nehmen; dass soziale Einrichtungen, die geschlossen werden sollen das Haus einfach selbstverwalten und dass Menschen, die sich die immer weiter steigenden Mieten nicht mehr leisten wollen, Häuser besetzen um diese mit Leben zu füllen.
Wir hoffen, dass wir dann ein kleiner Baustein in einer Stadt sind, in der die Menschen sich selbst bemächtigen und die Stadt gestalten – selbstverwaltet.