Archiv für den Monat: Oktober 2016

Baurecht oder Bleiberecht

Neue Bewegung im Sportamt

taz Bremen / 10.10.2016 / Elisabeth Nöfer

Grüne Bürgerschaftsfraktion sorgt für neue Gespräche zwischen BesetzerInnen und der städtischen Immobilien Bremen-Gesellschaft als Hauseigentümerin

Ein Chamäleon prangt an der Wand des Amts. Wechselhaft verhält sich auch die Behörde Foto: Ann-Kathrin Just

BREMEN taz | Im Streit zwischen dem Hauseigentümer Immobilien-Bremen (IB) und den BesetzerInnen des „Alten Sportamts“ auf dem Peterswerder gibt es neue Entwicklungen. Nachdem die grüne Fraktion in der Stadtbürgerschaft Mitte September intervenierte, könnte es nun erneut Gespräche geben. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Kai Wargalla, die das Thema in der Fraktion übernommen hat. Die Bereitschaft dazu sei auf allen Seiten vorhanden.

Ihr Ziel: Ein unbefristeter Vertrag für den Erhalt des Kulturorts, in dem der Verein „Klapstul“ seit 2011 in den Sommermonaten Veranstaltungen organisiert, seit der Besetzung im April 2015 illegal.

Die Wende kommt überraschend. Noch im Sommer hatten die Fronten unlösbar verhärtet geschienen, die Räumung des Gebäudes drohte. Ursprünglich musste der Verein „Klapstul“ jedes halbe Jahr einen neuen Vertrag mit der städtischen Verwaltungsgesellschaft IB machen. Die Behörde prüfte die weitere Nutzung, das dauerte teilweise bis ins Frühjahr. Dann sollte die Zwischennutzung beendet und als Lager für Geräte vom Verein Werder Bremen dienen, was der Verein „Klapstul“ nur über Gerüchte erfuhr.

Mittlerweile kritisierten die Nutzerinnen das gesamte Zwischennutzungskonzept, weil es „den Aufbau von dauerhaften, alternativen Strukturen“ erschwere, wie es in der Erklärung zur Besetzung des „Alten Sportamts“ hieß, die anschließend erfolgte (die taz berichtete). Nach der Besetzung folgten zahlreiche Verhandlungen, die zu keiner Lösung führten.

Im Oktober 2015 erklärten die BesetzerInnen in einem offenen Brief die Verhandlungen für gescheitert. Eine von Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) beauftragte Anwaltskanzlei drohte mit der Räumungsklage. Bis 31. Juli hätte das frühere Sportamt in der Nähe des Weserstadions geräumt werden sollen. Doch die Gruppe blieb. Aus der freien Kulturszene und Teilen der Bevölkerung folgte eine Welle der Solidaritätsbekundung. Die Unterstützung durch Teile der Bevölkerung habe dann wohl die Wende gebracht, meint eine der BesetzerInnen im Gespräch mit der taz.

Mitte September schaltete sich dann die grüne Fraktion ein und bat die Senatorin für Finanzen, die dem Gebäudeverwalter IB vorsteht, keine weiteren rechtlichen Schritte einzuleiten. In einer Mail an die BesetzerInnen äußerten fünf Grünen-PolitikerInnen Bedauern über das Scheitern der Verhandlungen. Nach Meinung der UnterzeichnerInnen soll der Ort weiter für die freie Kulturszene erhalten bleiben.

Doch es geht um die Nutzung des Gebäudes im Überschwemmungsgebiet der Pauliner Marsch, die in den Wintermonaten normalerweise verboten ist. Zudem für kulturelle Zwecke, die nicht vorgesehen sind und erst bauordnungsrechtlich genehmigt werden müssten. Besonders bei Versammlungen von Personen im Gebäude bestehen ungeklärte Haftungsfragen.

Die grüne Fraktion sieht dennoch „Spielraum für eine bauordnungsrechtliche Duldung der Nutzung“, so schreibt sie in der Mail vom 15. September den BesetzerInnen. Am besten unbefristet, aber jederzeit widerrufbar. In dieser Mail bringt sie auch einen Leihvertrag als „sinnvolle Lösung“ wieder ins Gespräch.

Nun wünscht sich die Fraktion schon Ende Oktober Gespräche, zunächst ohne Behörden. Die Mitglieder des Alten Sportamts bleiben den neuen Entwicklungen gegenüber skeptisch. „Es ist schwierig, das erneute Angebot eines Leihvertrags ernst zu nehmen“, sagen die BesetzerInnen der taz. Sonst hätte IB sie ja im letzten Jahr angelogen.

Damals sei ein Leihvertrag erst diskutiert, dann kurzfristig von der IB zurückgezogen worden. Jens Tittmann, Sprecher des Bausenators, erklärte eine Nutzung für planungsrechtlich unmöglich. Hoffnung haben die BesetzerInnen des „Alten Sportamts“ dennoch, dass die Räumung verhindert wird. „Unsere Hauptmotivation ist, eine Eskalation zu vermeiden“, sagt einer der Besetzer. Doch ob die Politik genug Einfluss auf die Verwaltung hat, um die rechtlichen Hindernisse zu umgehen, daran zweifelt er noch.

Die BesetzerInnen haben derzeit noch alle Hände voll zu tun, deshalb sind sie erst im November für Gespräche bereit. Vorausgesetzt, es gibt konkrete Lösungsvorschläge für eine unbefristete Bleibeperspektive und Planungssicherheit.

Denn seit der Besetzung und der daraus folgenden Solidarität haben sie mehr BesucherInnen und Veranstaltungen denn je – trotz Hausfriedensbruch, den die Gäste theoretisch mittragen, wenn die Polizei das Gebäude plötzlich räumen würde. „Mit 150 Veranstaltungen in den letzten anderthalb Jahren sind wir völlig ausgelastet“, sagt ein Mitglied des Vereins „Klapstul“. Mit Planungssicherheit durch Duldung oder einen Vertrag könnte das so weitergehen.

Aufgeben wollen sie nicht, denn in Bremen gebe es großen Bedarf an unkommerziellen Orten wie dem alten Sportamt. Und ein über 18 Monate gewachsenes Projekt, das von der Nachbarschaft akzeptiert wird, „gibt man nicht einfach so auf“.

 

Räumung vorerst vom Tisch

Grünen-Fraktion verhandelt mit Sportamt-Besetzern

Altes Sportamt

Besetzt: Das alte Sportamt auf dem Peterswerder. (Christina Kuhaupt)

Zwei Monate nachdem die von Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) beauftragte Anwaltskanzlei Castringius den Besetzern in einem Schreiben mitgeteilt hatte, dass sie das frühere Sportamt in der Nähe des Weserstadions bis zum 31. Juli verlassen sollen, ist immer noch nichts passiert. Der Zustand ist wie vor der Androhung. Die von der Behörde angekündigte Räumungsklage ist noch nicht eingereicht.

Keiner wollte mehr reden

Auf Gespräche wollten sich beide Seiten nicht mehr einlassen. Die Situation schien so verfahren, die Fronten so verhärtet, dass alles nach einer gewaltsamen Räumung durch die Polizei aussah. Bilder, die sicherlich beide Seiten vermeiden wollen. Bislang scheiterten die Gespräche vor allem an der Frage über die zeitliche Nutzung des Gebäudes. Die Aktivisten wollen eine dauerhafte Lösung, die Behörde eine zeitliche Beschränkung. Doch das sind nicht die einzigen Dinge, die es zu klären gilt.

Die grüne Bürgerschaftsfraktion hat nun interveniert. In einer E-Mail von Mitte September an die Besetzer äußerten fünf Grünen-Politiker und Politikerinnen ihr Bedauern darüber, dass die Verhandlungen zwischen Senat und den Aktivisten im alten Sportamt gescheitert sind. Die Fraktion hat die Senatorin für Finanzen gebeten, vorerst keine weiteren rechtlichen Schritte gegen die Besetzer einzuleiten. Die Politiker machten sich dafür stark, erneut das Gespräch zu suchen, um doch noch eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Das hatte der vor Kurzem zurückgetretene innenpolitische Sprecher der Grünen, Wilko Zicht, bereits Anfang August gegenüber dem ­WESER-KURIER angedeutet. Er hatte darauf hingewiesen, dass noch nichts endgültig entschieden sei und er immer noch die Hoffnung habe, dass es „irgendwie möglich ist, eine Lösung zu finden.“ Sein Wunsch: Die freie Kulturszene soll das alte Sportamt weiterhin nutzen können. Zicht soll es nun auch gewesen sein, der auf beiden Seiten viel Arbeit leistete, damit es zu einer Aussprache und einer erneuten Erörterung der Sache kommt.

Räumung vorerst vom Tisch

Damit ist die angedrohte Räumung vorerst vom Tisch. „Der Senat hat auf unsere Bitte eingewilligt, jetzt wollen wir einen guten Weg für alle Beteiligten erarbeiten“, erklärt Kai Wargalla, Vorstandssprecherin des Landesverbands der Bremer Grünen, auf Nachfrage. Die Grünen wollen selbstorganisierte kulturelle Räume unterstützen und sehen das alte Sportamt als passenden Freiraum für Kunst- und Kulturveranstaltungen.

Die Linksautonomen sind unter gewissen Voraussetzungen mit einem Treffen einverstanden. Die Inhalte des Gesprächs, das sich die Besetzer aber erst ab der kommenden Winterpause (ab Anfang November) vorstellen können, sollten vorab präzise formuliert werden. Baubehörde, Immobilien Bremen sowie das Finanzressort sollten konkrete Lösungsvorschläge einbringen.

Die Grünen haben sich selbst ein Bild von der ganzen Sachlage gemacht. Es soll eine Lösung her, auf die sich beide Seiten verlassen können. „Es müssen bestimmte Sachen einfach rechtlich abgesichert sein, das gilt es gemeinsam zu klären“, erklärt Kai Wargalla. Das bestätigt auch Ulrike Bendrat, Sprecherin der Finanzsenatorin. Sie erklärt: „Es ist eine rechtlich schwierige Situation, weil wir hier eine Besetzung dulden.“ Es müsse eine saubere Klärung von Haftungsfragen und Versicherungen erfolgen. Die Behördensprecherin macht aber deutlich, dass nicht mehr allzu viel Spielraum vorhanden sei. „Irgendwann müssen die Gespräche zu einem Ende kommen“.

Für Veranstaltungen in dem sanierungsbedürftigen, leicht maroden Gebäudes soll es eine Haftpflichtversicherung durch die Mitglieder des Vereins „Klapstul“ geben. Auch für das Hindernis, dass das besetzte Gebäude in einem Überschwemmungsgebiet liegt, muss eine bauordnungsrechtliche Lösung gefunden werden.